Vorgänge und Bilder an den Außengrenzen Europas gleichen sich in ihrer Unmenschlichkeit: Horrorzustände in libyschen Haftzentren, Elendslager auf Griechenlands Inseln, gezielte Behinderung von Seenotrettung, Pushbacks durch Kroatien und Griechenland. Und jetzt: hungernde, obdachlose, mit Badelatschen an den Füßen umherirrende und bei Minusgraden im Freien ausharrende Flüchtende in Bosnien.
Regierende Politiker*innen der Europäischen Union übertreffen sich gegenseitig mit Appellen, die unsägliche Not der Flüchtenden sei unverzüglich zu beenden. Tatsächlich aber ist selbst der Bruch geltenden Flüchtlingsrechts für die allermeisten von ihnen längst zu einer allgemein akzeptierten Norm geworden.
Grauenhafte Bilder wie jene aus Bosnien als Ausdruck einer nicht mehr den Menschenrechten verpflichteten europäischen Staatengemeinschaft werden von ihnen einfach hingenommen. Schlimmer noch – sie sind Hauptbestandteil ihres eiskalt kalkulierten Abschreckungskrieges gegen Flüchtende. Sie offenbaren allerdings zugleich die europäische Flüchtlingspolitik als eine endlose Geschichte politischen Totalversagens.
Sehr geehrte Senator*innen,
dass unsere Stadt keine EU-Außengrenze hat, rechtfertigt sicher auch in Ihren Augen nicht, über dieses Ausmaß an Inhumanität und Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtenden auf europäischem Boden den Mantel des Schweigens auszubreiten. Protest und Betroffenheit allein löst das Problem allerdings nicht. Sie müssen jetzt wahrhaft solidarische und wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen!
Wir appellieren deshalb an Sie, angesichts der dramatischen Notsituation in Bosnien mit größter Entschlossenheit das in Ihrer Macht Stehende zu tun, um mit anderen „willigen“ Bundesländern gemeinsam alle Flüchtenden von dort nach Deutschland zu holen.
Zivilgesellschaftliche Gruppen haben auch in anderen Bundesländern ähnliche Appelle an ihre Regierungen gerichtet. Setzen Sie sich daher bitte umgehend mit Ihren Kolleg*innen in den jeweiligen Landeshauptstädten in Verbindung und beschließen Sie schnellstmöglich ein Landesaufnahmeprogramm, damit Hamburg seinen Beitrag zur Beendigung der humanitären Katastrophe leistet! Das stünde auch im Einklang mit dem Selbstverständnis Hamburgs als Stadt der Weltoffenheit, kultureller Grundwerte und Humanität.
Das Einvernehmen mit einem entsprechenden Landesaufnahmeprogramm darf das Bundesinnenministerium im Falle der humanitären Aufnahme aus Bosnien nicht mit Verweis auf EU-Recht oder EU-Politik ablehnen. Denn hier geht es nicht um die Aufnahme aus einem EU-Mitgliedstaat, sondern aus einem Drittland, etwa wie im Falle der aus IS-Gefangenschaft entkommenen Jesid*innen, die 2015 in Baden-Württemberg Aufnahme fanden. Auch Ihr gerade verlängertes Programm für den Nachzug Angehöriger von syrischen Geflüchteten beweist die Entscheidungskompetenzen eines Bundeslandes bei solchen Landesaufnahmeprogrammen aus Drittländern. Dies macht uns zuversichtlich, dass Sie sich der akuten Bedrohung von Menschenleben in Bosnien mit einem mutigen Hamburger Aufnahmeprogramm entgegenstellen werden.
Handeln Sie bitte jetzt! Lassen Sie die Stadt Hamburg das erste Bundesland sein, dass sich bereit erklärt, schnell humanitäre Verantwortung durch ein eigenes Landesaufnahmeprogramm zu übernehmen! Denn in den Wäldern und auf den Bergen Bosniens warten Tausende verzweifelter Menschen auf Rettung aus lebensbedrohlicher Not.
Diesen Appell richtet das Bündnis Solidarische Stadt Hamburg mit seinen über 80 Mitgliedsorganisationen, darunter das Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen, der Flüchtlingsrat Hamburg e.V. und die Seebrücke Hamburg, sowie weitere Teilnehmer*innen des regelmäßig stattfindenden „Hamburger Ratschlag Flucht“ an Sie.